Tscharlie, Du hattest ja schon mal beschreiben, wie leichtfertig Gartenbesitzer früher mit Giftstoffen umgegangen sind: DDT, E 605... und anderes.
Durch das Gespräch über Hornspäne musste ich aktuell wieder daran denken.
Wir hatten, ich glaube, Ende 1984, ein schönes Fachwerkhaus im Bergischen Land gemietet, Besitzer war ein sogenannter Opa Valentin. Der hinterließ uns eine wunderschöne alte Werkstatt im Anbau, mit Regalen voller Gifte, jede Menge Gartengeräte, sowie einen wunderbar tiefgründigen Gemüse- und Blumengarten.
So ein toller Boden! Der war eben über lange Jahrzehnte ständig tüchtig beackert, mit Mist gedüngt, und regelmäßig bestellt worden! Es erschien wie eine reine Freude, dort etwas anzupflanzen!
Natürlich zog mich die alte Zink-Gießkanne des Herrn Valentin besonders an, denn die war einmal riesig, und zweitens so wunderschön alt!
Im Frühjahr 85 begann ich mit meinen Gartenarbeiten. Ich grub um, ich rechte, ich säte aus, alles goss ich mit Opas toller Kanne an - und: es kam nix! NIX! Gar nichts!
Verzweifelt stand ich im Sommer vor meinen leeren Beeten, als der alte Opa Valentin einmal besuchsweise in Garten gehumpelt kam. Ich klagte ihm mein Leid.
"Ja, Mädel", sagte er, "hast' denn alles mit der Giftkanne angegossen?"
Man, ey! Das stand natürlich nicht dran! - Und nun?
Ich wusste nicht was tun. Ich ahnte auch nicht, was da an Restgiftstoffen alles drin war. Das stand ja auch nicht dran. Mir war klar, den Garten konnte ich erstmal vergessen.
Na gut, wir hatten im Haus noch viel mit Renovierung zu tun, ich konzentrierte mich also daneben auf die blütenreiche Bepflanzung des Vorgartens- da mussten erstmal die Rasensoden ab - und beschloss, den Gemüsegarten erst 1986 neu in Angriff zu nehmen. Möglicherweise war dann mein 'gedüngtes' Gift etwas reingeregnet und schon etwas vergangen?
Im Frühjahr 1986 übereilte ich nichts. Ich ließ mir Zeit. - Zum Glück!
Der 26. April 1986 war ein strahlender Sonnentag. Meine zwei kleinen Söhne ( zwei und drei) veranstalteten im Garten eifrige Fahrten mit ihren Rutschautos, das war der Tag, an dem Tschernobyl explodierte. Die radioaktive Wolke war auch zu uns gezogen, und hatte sich an den folgenden Tagen abgeregnet. Das eine Kind nahm noch die Flasche - man!- und jetzt mussten wir erstmal weg. Milchpulver für die Kleinen gekauft, denn die frische Milch sollten sie nicht mehr trinken. Gottseidank stand uns noch das Haus auf La Palma offen!
Da, im Atlantik, vor der Küste Afrikas, war die direkte radioaktive Wolke
nicht hingezogen.
Zum Ärger meines damaligen Göttergatten, habe ich andere Freundinnen, mit ebenso kleinen Kindern, eingeladen mitzukommen.
So verbrachten wir ( zumindest Frauen und Kinder) die nächsten zwei Monate auf der schönen Insel. Die Männer blieben nur kürzer, die mussten ja arbeiten. Auf diese Weise blieben unsere kleinen Kinder jedenfalls von dem direkten Kontakt zu dem radioaktiven Niederschlag verschont.
Als ich dann zurück kam, war klar: wir mussten die oberste Bodenschicht der Gemüsebeete abtragen. 20 Zentimeter? Wir taten es. Wir brachten das Zeug auf die Mülldeponie.
Und dann begann ich sorgfältig wieder zu gärtnern. Mit einem etwas besseren Gefühl.
Die Kiddies durften jetzt auch wieder in den Garten. Gut fühlte sich das an!
Mia